Der digitale Wandel ist für Unternehmen ein echtes Mammutprojekt. Wenn Sie zu den Verantwortlichen gehören, dann kennen Sie das. Sie können allen Mitarbeitern die Arbeit mit Daten ermöglichen, interne und externe Prozesse optimieren, schnellere und bessere Entscheidungen treffen oder auch komplett neue Geschäftsmodelle entwickeln. Alles ist möglich! Aber was ist der richtige Weg dorthin? Wie geht man bei einem so umfassenden Projekt vor, ohne den Überblick zu verlieren?
Ein Projektmanagement-Ansatz, der sich bei uns bewährt hat, ist das 3P-Modell. Demnach müssen Sie sich bei der digitalen Transformation auf drei Kernelemente konzentrieren: Produkte, Personen und Prozesse. Ich möchte Ihnen dieses Modell im Folgenden näherbringen, wobei der konkrete Fall eines weltweit führenden Produktionsunternehmens zur Anschauung dienen soll. Das Praxisbeispiel verdeutlicht sehr schön, welche Hürden der digitale Wandel mit sich bringt und wie Sie diese durch ein homogenes Zusammenspiel der drei Ps überwinden. Diese Punkte schauen wir uns an:
- Was ist das 3P-Modell?
- Praxisbeispiel: „VUCA GmbH“
- P wie Produkte: Use Cases und kontinuierliches Feedback
- Roadmap für die Produktentwicklung
- P wie Personen: Rollen und Verantwortlichkeiten
- P wie Prozesse: Agil zum Ziel
Was ist das 3P-Modell?
Aus Sicht des 3P-Modells sind Produkte, Personen und Prozesse die Hauptressourcen bzw. -elemente jedes Unternehmens. Denn: Im Kern vermarkten Unternehmen Produkte, zu denen wir auch Dienstleistungen und Services zählen. Die Produkte werden wiederum von Personen initiiert oder schlichtweg hergestellt und geliefert. Dabei ist es egal, ob diese Personen im Vordergrund oder Hintergrund agieren. Schließlich werden Prozesse benötigt, um die Produkte erfolgreich auf den Markt zu bringen. Hier spielt es keine Rolle, wie klein und unwichtig diese Prozesse erscheinen.

Mehr als diese drei Bausteine benötigen Sie zunächst nicht, damit der digitale Wandel von Erfolg gekrönt ist. Das klingt einfach, ist aber dennoch umfangreich. Hinter jedem P verbergen sich weitere Inhalte, auf die ich später näher eingehe. Eines schon vorab: Mit dieser Sichtweise fällt es deutlich leichter, sich stets auf das Wesentliche zu besinnen und entsprechende Maßnahmen zu planen bzw. einzuleiten.
Praxisbeispiel: „VUCA GmbH“
Kommen wir zu meinem Praxisbeispiel. Es bezieht sich auf einen Kunden von uns, eine weltweit tätige Produktionsfirma, die ich als „VUCA GmbH“ bezeichnen möchte. VUCA ist ein Akronym, das über die Begriffe volatility, uncertainty, complexity und ambiguity die Unsicherheiten in unserer heutigen Welt und damit die schwierigen Rahmenbedingungen von Unternehmen beschreibt. Tatsächlich sah sich das Unternehmen als weltweit führender Maschinenbauer mit einer zunehmenden Marktsättigung sowie Konkurrenzprodukten von ähnlicher Leistung und Qualität konfrontiert. Anlass genug, eine umfassende Digitalisierungsinitiative zu starten.
Zielsetzung war ein neues, datengetriebenes Geschäftsmodell, bei dem die analogen Produkte durch digitale Dienste für unterschiedliche Zielgruppen ummantelt werden sollten. Gleichzeitig sollte der digitale Wandel die Möglichkeit eröffnen, unternehmensweit datenbasierte und damit bessere Entscheidungen treffen zu können. Über umfangreiche und stetig wachsende Datenbestände verfügte die VUCA GmbH bereits. Die mit Sensoren ausgestatteten Maschinen produzieren laufend aktuelle Statusinformationen. Hinzu kamen CRM-Daten des Außendiensts sowie Dokumentationen der Hotline. Genutzt wurden diese Daten bislang allerdings nicht. Sie lagen getrennt voneinander in einzelnen Datensilos und boten dem Unternehmen keinen echten Mehrwert.
In einem vorbereitenden Schritt führte das interdisziplinäre Projektteam diese Daten zusammen und machte sie nutzbar. Der Aufbau eines zentralen Data Lakes und die Verbindung der benötigten Daten wurde somit zu einem festen Projektbestandteil. Davon ausgehend wollten die Beteiligten vorhandene Ideen konkretisieren und schließlich den Wandel zu einer „Data Driven Company“ einleiten. Als Steuerungsinstrument diente das 3P-Modell.
P wie Produkte: Use Cases und kontinuierliches Feedback
Zum Einstieg in das Projekt erarbeitete das Team im Rahmen von Design-Thinking-Workshops zunächst eine Produktvision. Diese Vision bringt die Essenz des Produkts und die langfristigen Ziele hinter der Entwicklung für alle Beteiligten auf den Punkt. Sie fungiert als Orientierungshilfe, die dem Projekt einerseits eine Richtung und einen Rahmen gibt, aber andererseits noch ausreichend Spielraum für Kreativität lässt.
Anschließend definierte das Team auf Basis von Kundeninterviews verschiedene Personas sowie passende Anwendungsfälle – sogenannte Use Cases – mit möglichen Vorteilen und Mehrwerten. Diese Anwendungsfälle wurden ausgewählten Kunden in persönlichen Gesprächen vorgestellt, wobei sich mehrere A-Kunden umgehend dazu bereiterklärten, die weitere Entwicklung als Tester zu begleiten. Auf diese Weise wurde ein kontinuierlicher Feedbackprozess in Gang gebracht, bei dem die Meinungen und Anforderungen der Stakeholder ständig in die neuen Features einfließen konnten. Design Thinking begleitete also die gesamte Projektlaufzeit. Veränderungen am Markt und Ideen für die weitere Produktoptimierung fanden somit laufend Beachtung. Dadurch wurde sichergestellt, dass die Produktfunktionen beim Go-Live immer noch relevant und auf dem neuesten Stand sind.
Die wichtigste Frage beim Feedbackprozess war, in wie weit sich die geplanten Services vom Wettbewerb abheben. Schließlich ist ein Produkt vor allem dann erfolgreich, wenn es einzigartig ist. Wie sich zeigte, hatte noch kein anderer Anbieter am Markt eine vergleichbare Lösung für die Herausforderungen der verschiedenen Zielgruppen im Programm. Gleichzeitig wurden die Anwendungsfälle so weit verfeinert, dass sich konkret beziffern ließ, welche Summen die Kunden durch die Nutzung der digitalen Produkte einsparen konnten.
Roadmap für die Produktentwicklung
Essenziell für die weitere Produktentwicklung ist eine Roadmap, an der sich der Entwicklungsstand und der Projektfortschritt ablesen lässt. Das Projektteam legte in diesem Kontext einzelne Zwischenziele fest und terminierte sie jeweils auf ein Quartalsende. Dabei wurden die Use Cases anhand einer Matrix priorisiert, die den monetären Nutzen und die zu erwartende Umsetzungszeit transparent machte. Zudem ermöglichte die Roadmap eine Personalbedarfsplanung, die bis dato vollständig fehlte.
Der erste Meilenstein nach drei Monaten Laufzeit sollte ein Minimal Viable Product (MVP) sein – sprich: eine erste Version des Produkts mit minimalem Funktionsumfang. Bei diesen Funktionen kann es sich um einen einzelnen Use Case handeln, der bereits vollständig bis zum Ende durchdekliniert ist. In unserem konkreten Fall waren es indes mehrere Use Cases mit einigen Basisfunktionen. Die Idee hinter diesem Vorgehen ist, sich in kurzen Zyklen bzw. Iterationen schrittweise einer möglichst funktionalen Lösung zu nähern, statt sofort ein bis ins Kleinste fertiggestelltes Produkt zu liefern, das ggf. den aktuellen Anforderungen nicht (mehr) entspricht. Das spart Geld und ermöglicht bessere Ergebnisse. Zudem gewährleistet das Unternehmen, dass ein lebendiges, sich stets weiterentwickelndes Produkt entsteht – was wiederum essenziell für eine erfolgreiche Entwicklung zur Data Driven Company ist.
Grundsätzlich handelt es sich um eine agile Herangehensweise nach Scrum. Mit der Roadmap- und Meilensteinplanung fließen aber auch Bestandteile des klassischen Wasserfallmodells ein, sodass wir letztlich von einem hybriden Projektvorgehen sprechen können. Wir bewegen uns hier also auch schon im Bereich der Prozesse, auf den ich später weiter eingehen werde.
P wie Personen: Rollen & Verantwortlichkeiten
Bei einem historisch gewachsen Unternehmen wie der VUCA GmbH verlangt der digitale Wandel zuallererst nach einem umfassenden Bekenntnis der Unternehmensführung. Entsprechend verpflichtete sich das Top-Management, die Vision der digitalen Produkte zu kennen und vorzuleben. Frühzeitig wurden das Vorhaben, die Ziele wie auch das 11-köpfige Kernteam der Belegschaft vorgestellt. Erforderliche Rollen und Verantwortlichkeiten waren in diesem Zusammenhang:
- Product Owner: der Hauptverantwortliche für das Produkt. In dieser Rolle fungierte er gleichermaßen als Visionär und Organisator. Er hatte die Idee und Nutzbarkeit des Produkts genauso im Blick, wie die Akzeptanz am Markt. Er kümmerte sich um die Spezifikation der Anforderungen wie auch die Roadmap-Planung. Nicht zuletzt war er die Schnittstelle zu uns als Dienstleister.
- Application Owner: Sie unterstützten im Projekt und konzentrierten sich dabei vor allem auf die Anforderungen ihrer jeweiligen Fachbereiche. Die Application Owner verfügen über umfangreiches Know-how bezüglich der Systemlandschaft, Infrastruktur und Prozesse in ihrem Bereich. Daher waren sie vor allem auf operativer Ebene aktiv und sicherten die korrekte und reibungslose Umsetzung in technischer Hinsicht ab.
- Projektleiter: Er bildet eine wichtige Schnittstelle zwischen Product Owner, Application Owner, Management und Implementierungsdienstleister. Der Projektleiter unterstützte die Beteiligten bei allen organisatorischen, ressourcenspezifischen und kommunikativen Themen. Gleichzeitig plante und koordinierte er Teamevents, Kalender, Urlaube, Vertretungen und Prozesse.
- Fachliche und technische Ansprechpartner: Personen, die die digitalen Services selbst im Tagesgeschäft verwendeten oder Kunden diesbezüglich betreuten. Sie dienten als Input- und Feedbackgeber für ihren jeweiligen Bereich sowie als Ansprechpartner für Rückfragen und die Detailspezifikation von Anforderungen. Teilweise waren sie auch für das Testing und Qualitätsabnahmen verantwortlich.
- Executive Manager bzw. Sponsoren: Motivatoren und Treiber, die vor allem die Vision der Geschäftsidee vorlebten. Während der Product Owner vor allem in operativer Hinsicht verantwortlich zeichnete, lenkten sie das Projekt aus strategischer Sicht.
Die beschriebenen Rollen sind verhältnismäßig einfach zu definieren. Eine weitaus größere Herausforderung ist es, diese Rollen mit den richtigen Personen zu besetzen. Das zeigte sich auch bei der VUCA GmbH. Nach den ersten Wochen geriet der digitale Wandel schon ins Stocken. Folgendes war passiert:
- Verantwortungen wurden nicht gelebt wie zuvor definiert.
- Der Product Owner agierte weniger als Werteoptimierer im Sinne von Scrum und war demzufolge zeitlich nicht in der Lage, fachliche Anforderungen an die Lösung zu spezifizieren.
- Der Sponsor des Projekts revidierte regelmäßig Entscheidungen des Product Owners.
- Die Kommunikation im Team blieb aus. E-Mail-Verteiler wurden bewusst klein gehalten, um erlangtes Wissen nicht zu teilen.
- Die Versuche des Scrum Masters und Projektleiters einzulenken, nahm das Team nicht an.
Auf unser Anraten hin entschied sich das Unternehmen, das Projekt für vier Wochen pausieren zu lassen. Die Zeit wurde genutzt, um die Rollen neu zu ordnen sowie Teambuilding-Maßnahmen und ein teambezogenes Incentive-Modell aufzusetzen. Alle Teammitglieder blieben im Projekt, um die Außenwahrnehmung nicht zu gefährden. Ein Townhall-Meeting der Geschäftsführung gab schließlich den Startschuss für die Fortsetzung des Projekts. Auch wichtige Fachabteilungen nahmen daran teil. Sie erhielten Einblick in die bisherigen Ergebnisse und konnten Feedback dazu geben.

P wie Prozesse: Agil zum Ziel
Zu einer Situation, wie der zuvor beschriebenen, kommt es meist, wenn alle sonstigen Abteilungen und Prozesse noch klassischen und tradierten Prinzipien folgen – anders gesagt: Es ist schwer, ein agiles und digitales Mindset zu etablieren, wenn Schnittstellen ihre Arbeit weiter so erledigen, „wie sie es immer schon gemacht haben“. Der digitale Wandel und seine Veränderungen müssen begleitet werden. Es gilt, einen Change-Prozess aufzusetzen, den die Führungskräfte vorleben. So sollte das Management in regelmäßigen Abständen bei operativen Meetings anwesend sein, um motivierend zu wirken und den Projektkollegen die notwendige Wertschätzung entgegen zu bringen.
Im Beispielfall wurden mittels stetigen agilen Coachings notwendige Regeln aufgestellt, Denkweisen verändert und Werte vermittelt. Ebenso entwickelte sich ein Kommunikations- und Motivationskonzept zum Erfolgsfaktor im Projekt. In diesem Zusammenhang wurden Kommunikationsregeln definiert und Regelmeetings aufgesetzt, wie z.B. Sprint-Reviews, Daily Standups, Steering Commitees und Retrospektive-Meetings. Quartalsweise haben die Verantwortlichen Release-Partys veranstaltet, die sowohl der Mitarbeiterinformation als auch der Motivation und Teamstärkung dienten. Das Motivationskonzepts beinhaltete außerdem ein rollierendes Präsentationsverfahren, sodass jeder Projektbeteiligte abwechselnd über die Fortschritte berichten konnte bzw. musste. Die aktive Durchführung von Präsentationen gehörte zu den Zielen, die im Incentive-Modell fixiert wurde. Nicht zuletzt förderten freiwillige „Stammtisch-Events“ sowohl den direkten Dialog als auch die Motivation zur Zusammenarbeit. Anfangs zu wenig beachtet, gewann das Konzept nach der Storming-Phase des Teams zunehmend an Relevanz. Es beschleunigte schließlich den Change, sodass die Performing-Phase einsetzte.
Gleichzeitig haben wir bei der VUCA GmbH von Beginn an auf agile Entwicklungsprozesse in Anlehnung an Scrum gesetzt, da sich die komplexen Anforderungen digitaler Produkte niemals vollständig vorhersehen bzw. planen lassen. Ausgehend vom MVP näherten wir uns mit einem iterativen Anforderungsmanagement über mehrere Entwicklungsphasen hinweg immer weiter der optimalen Lösung. Nach Beendigung einer Phase wurden die Ergebnisse von den jeweiligen Anforderern getestet und bewertet. Gemäß Design Thinking konnten dabei jederzeit neue Erkenntnisse, Wünsche und Ideen einfließen. Features, die die Fachbereiche final abgenommen hatten, gingen direkt in den Echtbetrieb. Dadurch wurde das Produkt schnell „erlebbar“, was die Akzeptanz unter den VUCA-Mitarbeitern erhöhte und sich somit positiv auf den Veränderungsprozess auswirkte. Im Zuge einer umfangreichen Setup-Phase konnten die Akteure bereits nach drei Monaten Entwicklungszeit ein erstes MVP präsentieren. Nach weiteren sechs Monaten wurde das Hauptziel erreicht und das Produkt konnte live gehen. Bis heute setzen wir stetig neue Anforderungen um, die das Produkt optimieren und erweitern.
Fazit
Das Beispiel der VUCA GmbH veranschaulicht sehr schön, dass der digitale Wandel nach speziellen Vorgehensweisen verlangen. Sie lassen sich niemals vollständig planen und fordern von den Beteiligten ein hohes Maß an Flexibilität. Das 3P-Modell schafft einen Handlungsrahmen und gibt eine klare Richtung vor. Mit Elementen aus Scrum, Design Thinking, Six Sigma und Change Management werden Produkte, Personen und Prozesse miteinander in Einklang gebracht. Alle Aktivitäten müssen aufeinander ausgerichtet und während der gesamten Projektlaufzeit im Blick behalten werden. Wer eine der drei „P“-Komponenten vernachlässigt, der wird seine Ziele allenfalls mit hohem Zusatzaufwand erreichen.
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